Wer im Supermarkt nach Kräutertee greift, verlässt sich meist auf die Angaben zur Packungsgröße und Beutelanzahl. Doch gerade bei Angebotsaktionen kommt es immer wieder zu Situationen, die Verbraucher in die Irre führen. Die Problematik liegt nicht nur in unterschiedlichen Grammaturangaben, sondern vor allem in der Art und Weise, wie Hersteller diese Informationen präsentieren. Das scheinbare Schnäppchen entpuppt sich beim genauen Hinsehen oft als Mogelpackung mit weniger Inhalt als erwartet. Dieses Phänomen der Schrumpfflation betrifft längst nicht nur Tee, sondern zahlreiche Produkte des täglichen Bedarfs.
Wenn 20 Beutel nicht gleich 20 Beutel sind
Die Verwirrung beginnt bereits bei der Beutelanzahl. Eine Packung mit 20 Teebeuteln klingt eindeutig – doch die tatsächliche Teemenge kann erheblich variieren. Während manche Hersteller ihre Beutel mit jeweils 2,0 oder sogar 3,0 Gramm befüllen, enthalten andere lediglich 1,5 Gramm pro Beutel. Das Ergebnis: Zwei scheinbar identische Packungen mit je 20 Beuteln unterscheiden sich im Nettoinhalt erheblich. Bei Angebotsaktionen wird dieser Unterschied besonders problematisch, wenn Verbraucher den vermeintlich günstigeren Preis mit einer Standardpackung vergleichen, ohne zu bemerken, dass die Füllmenge reduziert wurde.
Angebotsaktionen als Einfallstor für Täuschungen
Besonders raffiniert wird es bei Sonderangeboten und Aktionspackungen. Hier nutzen Hersteller verschiedene Strategien, um den Eindruck eines Vorteils zu erwecken. Spezielle Angebotspackungen kommen mit weniger Gramm pro Beutel bei gleicher Beutelanzahl daher, während die Gesamtgrammzahl bei identischer oder sogar größerer Verpackung reduziert wird. Bonuspackungen prahlen mit Aufschriften wie „20% mehr Inhalt“, die sich nur auf die Beutelanzahl, nicht aber auf die Grammzahl beziehen. Preisreduzierungen verschleiern geschickt eine geringere Füllmenge.
Die optische Gestaltung der Verpackung bleibt dabei oft identisch oder wird sogar größer, während der Inhalt schrumpft. Verbraucher greifen zur gewohnten Packungsgröße und übersehen die kleinen, aber entscheidenden Unterschiede in der Nettoinhaltsangabe. Die Verbraucherzentrale Hamburg dokumentierte einen besonders dreisten Fall: Ein Kräutertee-Hersteller reduzierte die Füllmenge seines Fencheltees von ursprünglich 75 Gramm auf nur noch 40 Gramm – eine Halbierung des Inhalts. Die Füllmenge pro Teebeutel sank von 3 auf 2 Gramm. Gleichzeitig wurde der Preis von 1,49 Euro auf 1,19 Euro gesenkt. Klingt nach einem Schnäppchen? Keineswegs. Die versteckte Preiserhöhung betrug rund 50 Prozent pro Gramm. Das Produkt erhielt den Titel „Mogelpackung des Monats“.
Wo sich die Täuschung versteckt
Die gesetzlich vorgeschriebene Angabe des Nettoinhalts findet sich zwar auf jeder Packung, jedoch häufig an Stellen, die beim schnellen Einkauf kaum auffallen. Während die Beutelanzahl groß und prominent auf der Vorderseite prangt, versteckt sich die Grammangabe in kleiner Schrift an der Seite oder auf der Rückseite. Bei Angebotsaktionen kommt hinzu, dass bunte Werbebanner, Prozentzeichen und Sonderpreisschilder die Aufmerksamkeit bewusst von den eigentlichen Inhaltsinformationen ablenken.
Clevere Formulierungen, die verwirren
Hersteller bedienen sich einer Sprache, die zwar rechtlich einwandfrei ist, aber gezielt Unklarheiten schafft. Formulierungen wie „Neue Rezeptur“ oder „Optimierte Mischung“ können eine Änderung der Füllmenge kaschieren. Auch Angaben wie „Ergibt 20 Tassen“ sagen nichts über die tatsächliche Teemenge aus, da die Definition einer „Tasse“ nicht standardisiert ist. Ein Beutel mit 1,5 Gramm und einer mit 2,0 Gramm können beide angeblich eine Tasse ergeben – die Intensität und Qualität des Aufgusses unterscheiden sich jedoch erheblich. Im dokumentierten Mogelpackungs-Fall argumentierte der Hersteller, dass aufgrund der Füllmengenreduzierung der Preis reduziert worden sei. Diese Darstellung stellt die Tatsachen auf den Kopf und zeigt, wie geschickt Verbraucher in die Irre geführt werden können.
Der Grundpreisvergleich als einzige verlässliche Methode
Um nicht in die Falle zu tappen, hilft nur der konsequente Vergleich des Grundpreises. Dieser sollte idealerweise auf allen Preisschildern im Regal angegeben sein und zeigt den Preis pro 100 Gramm oder pro Kilogramm. Doch selbst hier lauern Stolperfallen: Nicht alle Händler aktualisieren die Grundpreisangaben zeitnah bei Aktionsware, und manchmal werden unterschiedliche Bezugsgrößen verwendet, die den direkten Vergleich erschweren.

Verbraucher sollten immer die Nettofüllmenge in Gramm prüfen, nicht nur die Beutelanzahl. Der Grundpreis pro 100 Gramm sollte auch bei Angeboten verglichen werden, und Aktionspackungen müssen mit Standardpackungen desselben Produkts in Gramm verglichen werden. Besonders bei vertrauten Produkten lohnt es sich, auf schleichende Füllmengenreduzierungen zu achten. Ein Smartphone-Rechner hilft dabei, bei fehlenden oder veralteten Grundpreisangaben selbst nachzurechnen.
Rechtliche Grauzone und geplante Verschärfungen
Die gesetzlichen Vorgaben schreiben eindeutige Angaben zum Nettoinhalt vor. Dennoch bewegen sich viele Hersteller in einer Grauzone, indem sie formal korrekte, aber praktisch irreführende Darstellungen wählen. Die Schriftgröße für die Nettofüllmenge ist zwar gesetzlich geregelt, doch die Positionierung und die ablenkende Gestaltung der Verpackung bleiben kreative Spielräume. Verbraucherzentralen erhalten regelmäßig Beschwerden über solche Praktiken, besonders im Zusammenhang mit Aktionsangeboten. Als Reaktion auf die zunehmenden Mogelpackungs-Fälle hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz ein Eckpunktepapier veröffentlicht. Darin ist vorgesehen, dass künftig Produktmengenreduzierungen ohne entsprechende Verpackungsverkleinerung verboten werden sollen.
Warum gerade Kräutertee betroffen ist
Kräutertee eignet sich aus Herstellersicht besonders für solche Strategien. Anders als bei Produkten mit starker Markenbindung wechseln Verbraucher hier häufiger zwischen verschiedenen Angeboten. Die Produktvielfalt ist immens: Kräuter- und Früchtetees basieren auf über 400 verschiedenen Pflanzenteilen. Diese Vielfalt mit unzähligen Mischungen, Geschmacksrichtungen und Varianten erschwert die Vergleichbarkeit erheblich. Hinzu kommt, dass viele Käufer Tee als standardisiertes Produkt wahrnehmen und nicht mit relevanten Unterschieden in der Füllmenge rechnen. Diese Sorglosigkeit wird gezielt ausgenutzt.
Eine besonders problematische Entwicklung zeigt sich bei schleichenden Füllmengenreduzierungen während Aktionszeiträumen. Ein Produkt wird im Angebot beworben, kostet tatsächlich weniger als zuvor – enthält aber auch weniger Gramm. Der Verbraucher freut sich über das vermeintliche Schnäppchen, zahlt aber umgerechnet pro 100 Gramm mehr als vor der Aktion. Diese Praxis ist bei Kräutertee besonders schwer zu erkennen, da sich das Volumen der Packung durch die Verwendung von Pyramidenbeuteln, Doppelkammerbeuteln oder unterschiedlichen Verpackungsmaterialien optisch kaum verändert. Der dokumentierte Fall zeigt die Dimension: Bei verschiedenen Kräutertees des gleichen Anbieters wurden die versteckten Preiserhöhungen zwischen 35 und 50 Prozent gemessen – trotz oberflächlich niedrigerer Preise.
Was Verbraucher konkret tun können
Neben der eigenen Wachsamkeit beim Einkauf haben Verbraucher weitere Möglichkeiten, sich zu schützen und gegen irreführende Praktiken vorzugehen. Dokumentierte Fälle können bei Verbraucherzentralen gemeldet werden, die solche Informationen sammeln und bei gehäuften Beschwerden aktiv werden. Auch die Meldung an Portale, die Mogelpackungen dokumentieren, schafft Öffentlichkeit und Bewusstsein. Je mehr Verbraucher solche Praktiken aufdecken und kommunizieren, desto größer wird der Druck auf Hersteller, transparenter zu agieren. Die Eigenverantwortung bleibt jedoch der wichtigste Schutz. Wer sich die wenigen Sekunden Zeit nimmt, die Nettofüllmenge zu prüfen und den Grundpreis zu vergleichen, kann sich vor unnötigen Mehrausgaben schützen. Besonders bei Produkten des täglichen Bedarfs wie Kräutertee summieren sich kleine Mehrkosten über das Jahr zu relevanten Beträgen.
Inhaltsverzeichnis
